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Dienstag, 3. Oktober 2006

Meine Bekehrung

Seine Augen strahlen mich an, ein Blau, das ich nicht in Erinnerung hatte. Seine Haare sind grau, sein Lächeln offenbart den Jungen, den ich vor 22 Jahren mal kennen gelernt hatte. Er war die erste Liebe einer Schulfreundin und ich fand ihn kindisch. Mit 18 war ich ja so reif, mein Freund hatte ja schon ein Auto und eine eigene Wohnung. Die waren doch alle solche Kindsköpfe und ich hatte die Weisheit mit Löffeln gefressen. Während andere sich noch an ihre Lebensziele herantasteten, wusste ich schon wohin mein Leben gehen wird. Der Plan für die nächsten Jahre war schon geschrieben und die Eckpunkte und Stationen bereits festgelegt.
Heiraten erst nach dem Studium, Kinder, wenn überhaupt, erst ab 35 und auch nur mit Kindermädchen. Ich wollte singen, ein Star werden, die Opernbühnen in ganz Europa erobern.
Überheblichkeit macht blind, für Chancen, Herausforderungen und Aufgaben. Ich hatte mich auf mein Talent und mein Aussehen verlassen.
Erst war der Mann weg. Scheiße, das tut zwar weh, aber es gibt so viele andere und es gab viele andere. Sie mussten nur ein paar Eigenschaften haben, über 1,90 groß, dunkle Haare, am besten leicht gelockt und eine große Klappe. Blender hatten es mir angetan, außerdem standen sie mir ganz gut. Die paar zu kurz geratenen, die meine Hormone in Wallungen brachten, habe ich halt nicht in der Öffentlichkeit getroffen und ficken konnten sie recht gut, muss ja nicht jeder wissen.
Dann wollte das mich betreuende Musikinstitut tatsächlich, dass ich regelmäßig übe und auch zum langweiligen Tonsatzseminar erscheine. Das war leider immer recht früh am Morgen und ich war meist recht spät im Bett. Und ein Autounfall, der mich 3 Monate außer Gefecht gesetzt hat, war auch irgendwann mal als Ausrede ausgelutscht. Da haben sie mich rausgeschmissen.
Hier wäre der Zeitpunkt gewesen Demut zu lernen. Ich hatte nur Wut auf den Scheißladen und habe mit Privatstunden weitergemacht.
Ein zügelloses Leben schlägt sich leider auch auf die Optik nieder, aus der 36 wurde schleichend die 46 und noch mehr. Der Teint wurde fahl, unattraktiv und bedürfte kunstvoller Make Up Schichten. Da blieben auch die Männer aus, selbst die Kleinen. Jetzt war ich diejenige, mit der man sich nicht in der Öffentlichkeit zeigt, aber ficken konnte ich gut.
Als mäßig intonierender Fettkloß konnte ich die Operbühnen dieser Welt auch nicht von meinem Potenzial überzeugen und sie mieden meine spärlichen Angebote.
Da der Lebensplan, so nicht durchführbar war, wendete ich mich der Esoterik zu. Dass ich nicht das erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe, kann eigentlich nur an bösen Erdstrahlen oder ungereinigtem Karma liegen.

Es hat ein bisschen gedauert, bis ich erwachsen wurde. Doch heute bin ich geheilt von meiner Überheblichkeit. Ein Lächeln ist jetzt ein Geschenk, nicht die anderen sind Schuld, wenn ich nicht das bekomme, was ich mir wünsche. Und wenn ich etwas erreichen will, dann muss ich auch etwas dafür tun.

Ich lächle zurück, weiß ja jetzt, dass ich der Kindskopf bin und freue mich des Lebens.



Dies war ein Beitrag aus der Kategorie "Ich möchte Silberbesteck"

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